Der Übergang zwischen zwei stabilen Zuständen ist ein "Kipppunkt" - und im komplexen Klimasystem gibt es davon eine ganze Reihe: Wenn bestimmte Temperaturen überschritten werden, schmelzen zum Beispiel die Eisschilde der westlichen Antarkti unaufhaltsam oder verwandeln sich Regenwälder unwiderruflich in Savannen. Wenn Klima-Kipppunkte erst einmal erreicht sind, ist eine Umkehrung mit den zur Verfügung stehenden Mitteln nicht mehr möglich.
Im Iserlohner Waldstadtlabor referierte Dr. Jens Wöllecke auf Anregung vom Bildungsforum Aspekte der AWO über die Bedeutung klimaabhängiger Kipppunkte für die Entwicklung des Klimas in NRW. Hitze und Trockenheit, aber auch zu hohe Niederschläge innerhalb kurzer Zeit werden in Zukunft Probleme für die Land- und Forstwirtschaft sowie für die Gesundheit der Menschen bedeuten. Der Biologe sieht selbst im Wahlprogramm der Grünen keine ausreichenden Maßnahmen zur Einhaltung des angestrebten 1,5°-Ziels. Der Ausstoß von Treibhausgasen wie CO2, Stickstoffen und Methan treibe die Klimakrise an; Energieerzeugung, Landwirtschaft und Verkehr sind die TOP 3 bei den Emissionen. Deren bisherige „Anstrengungen“ reichen bei weitem nicht aus.
Als eine massive Folge der länger anhaltenden Trockenphasen werde die Wasserversorgung und -speicherung in der Zukunft sogar in Teilen von NRW nicht mehr gewährleistet werden können. Es müssten viel mehr Flächen wieder vernässt werden, um Feuchtigkeit zu speichern. Der hohe Ausstoß von Stickstoffverbindungen, hauptsächlich verursacht durch die Landwirtschaft und Verbrennungsmotoren, sei Gift auch für den Wald, erläuterte der der ausgewiesene Waldexperte Jens Wöllecke. Unter anderem leiden darunter massiv die Pilzgeflechte, die für die Versorgung der Bäume mit Wasser zuständig sind. Nur 2 % allen Wassers dieser Erde liegen als Süßwasser gebunden im Eis der Pole und Gletscher vor. Doch was ist, wenn kein Gletscherwasser mehr fließt? Süßwasser in Flüssen müsste sofort gespeichert und versickert werden, bevor es ins Meer fließt. Aber auch versiegelte Flächen verhindern die Versickerung, um die Grundwasserreservoirs wieder zu füllen.
Auf die Frage, woher der Fachmann seinen Optimismus nehmen würde, antwortete Jens Wöllecke: "Wir wissen heute sehr viel um die Ursachen und Zusammenhänge, die unser Klima beeinflussen und schädigen. Wir müssen die Erkenntnisse nur konsequent umsetzen." Den Glauben, dass wir das schaffen, wolle er sich nicht nehmen lassen.