Presseartikel zum Fachtag Extremismus in Kooperation mit dem Wegweiser der AWO am 26.11.2019:
Auf Jugendliche und junge Erwachsene, die sich noch selbst finden müssen, üben extreme Ansichten, seien sie nun rechts, links oder islamistisch geprägt, oft einen besonderen Reiz aus. Wie Sozialarbeiter, Erzieher und Lehrer Extremismus erkennen, präventiv dagegen arbeiten und pädagogisch sinnvoll eingreifen können, war Thema einer Fachtagung.
Märkischer Kreis. (pmk) „Extreme politische Haltungen sind keine gesellschaftliche Randphänome mehr“, stellte Landrat Thomas Gemke beim Fachtag „Faszination Extremismus“ in der Aula des Gertrud-Bäumer-Berufskollegs des Märkischen Kreises in Lüdenscheid heraus. Rund 100 Interessierte waren der Einladung des Jugendamts des Märkischen Kreises, des Erzieherischen Kinder- und Jugendschutzes der Beratungsstelle Wegweiser des AWO Unterbezirks Hagen-Märkischer Kreis, des Kommunalen Integrationszentrums Märkischer Kreis und des Jugendamt Lüdenscheids gefolgt.
In seiner Begrüßungsrede beklagte Gemke, dass die modernen digitalen Kommunikationswege radikalen Gruppierungen ganz neue Möglichkeiten eröffnen, ihre Propaganda zu verbreiten und weitere Anhängerinnen und Anhänger zu gewinnen. Über die sozialen Netzwerke und anderen Internetplattformen würden weitaus mehr Menschen erreicht als dies früher der Fall gewesen wäre. Jegliche Art von Extremismus stelle die Demokratie in Frage. Schulen und Eltern sieht Landrat Gemke in besonderer Verantwortung, Jugendlichen die Werte einer demokratischen Gesellschaft zu vermitteln und Kompetenzen an die Hand zu geben, sich in einer vielschichtigen Welt zurechtzufinden. Zu den Aufgaben von Schulen gehöre es auch, manipulative Strategien im Netz offenzulegen sowie Schülerinnen und Schülern nahe zu bringen, dass man auch im Internet und in den Sozialen Netzwerken respektvoll miteinander umgeht.
Meinolf Remmert, Leiter der AWO Integrationsagentur, stellte in seinem Grußwort eine hohe mediale und gesellschaftliche Aufmerksamkeit auf das Thema Migration fest und warnte vor Verallgemeinerungen. Auch mahnte er eine sprachliche Achtsamkeit an. So monierte er beispielsweise die Verknüpfung des Begriffs „Flüchtling“ mit der Naturgewalt „Flut“ oder „Welle“, die unhinterfragt Ängste und negative Assoziationen schürt. In der Auseinandersetzung mit Migration und Integration wünschte er sich, den Fokus mehr auf das Verbindende zu legen. Dann ließe sich auch das Trennende eher akzeptieren. Wichtig sei es jedoch einen gemeinsamen kulturellen, sozialen und politischen Nenner zu definieren.
In den Impulsvorträgen zum Extremismus allgemein, dem Gewaltbereiten Salafismus und zum Rechtsextremismus strichen die Referenten der Landesstelle für Schulpsychologie und Schulpsychologisches Krisenmanagement, der Beratungsstelle Wegweiser und der Quartiersdemokraten Dortmund einige Gemeinsamkeiten heraus: Von extremen Gruppierungen ansprechen lassen sich oft Jugendliche, die in der Familie wenig Zuwendung erfahren, die in der Schule wenig Erfolg haben, die wenig Selbstbewusstsein entwickelt haben und sich ausgegrenzt fühlen, deren Lebenslauf Brüche aufweisen. Attraktiv wirken dann Gruppierungen, die diese Mängel mit niederschwelligen Angeboten auffangen. Dort finden Jugendliche und junge Erwachsene Halt und Sicherheit in einer Gemeinschaft, die sich kümmert. Radikale Gruppen bieten zudem einfache Antworten auf komplexe soziale und politische Fragen. Die Ideologie oder „Religion“ dahinter spielt dabei eher eine untergeordnete Rolle. Erste Anzeichen der Radikalisierung zeigen sich häufig in der Musik, der Kleidung, dem veränderten Verhalten, der Abschottung von dem bisherigen sozialen Umfeld und dem „Missionieren“. Extremistischen Gruppen ist der absolute Wahrheitsanspruch gemeinsam, der gleichzeitig die Abwertung des „Anderen“ beinhaltet.
Sehr anschaulich berichteten am Nachmittag zwei Aussteiger aus der rechtsradikalen und aus der islamistischen Szene, welche emotionalen Schlüsselerlebnisse, sie in die Hände extremistischer Gruppierungen getrieben haben. Sie schilderten, wie sie angeworben wurden, welche Erfahrungen sie gemacht und wie sie mit Hilfe des Verfassungsschutzes den Ausstieg geschafft haben. Erst wenn die Fassade Risse bekommt und die „innere Burg bröckelt“, so der Verfassungsschutz, können Hilfsprogramme überhaupt greifen. Daher sei es umso wichtiger möglichst frühzeitig in den Schulen präventiv aktiv zu werden und kontinuierlich politische Bildung und demokratische Werte zu vermitteln.