Unter dem Titel „Jedes Kind in jede Kita“ lud am Freitag (03.02.) der Elternbeirat der AWO Kita Wundertüte alle Elternbeiräte der sechs Kombinierten Kitas in MK und die Familien nach Halver ein, deren Kinder auf Grund einer Behinderung die Heilpädagogischen Kitas der AWO besuchen. Unterstützt wurden sie vom Bürgermeister der Stadt Halver, Michael Brosch, der zu Beginn auch den Bürgermeister von Altena Uwe Kober und anwesende Jugendamtsleiter und Politiker begrüßte.
Hintergrund des Treffens war die Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes (BTHG), das für heilpädagogische Einrichtungen besondere Herausforderungen darstellt. Denn mit Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention sind Menschen mit Behinderung innerhalb des allgemeinen Bildungssystems zu unterstützen und sollen nicht in exklusiven Einrichtungen betreut werden. Dieser Bildungsanspruch soll künftig auch für Kinder mit besonders hohem Teilhabebedarf erfüllt werden, die bislang in heilpädagogischen Gruppen und Einrichtungen mit besonders kleinen Gruppen und erhöhtem Personalschlüssel betreut werden.
Da dieses Thema ca. 120 Familien im ganzen Märkischen Kreis betrifft, ließen sich die Eltern etwas Besonderes einfallen. Über eine Videoverbindung wurden die Eltern aus Menden, Iserlohn und Hemer aus der Kita Kinderburg Iserlohn zugeschaltet. Über 70 beteiligte Eltern und Interessierte wünschten sich einen Informationsaustausch. Sonja Vollmar aus dem Elternbeirat brachte es schnell auf den Punkt: „2027 sollen die Heilpädagogischen Kitas aufgelöst und jedes Kind mit Behinderung in jeder Kita vor Ort betreut werden. Wir begrüßen ausdrücklich die Umsetzung der UN-Rechte, aber ich glaube, die Kitas und Eltern vor Ort wissen davon nichts.“
Tina Reers, Fachberatung der sechs Kombinierten AWO Kitas, erläuterte dass die Überleitung in die neue Systematik gut funktionieren müsse, um Kinder mit und ohne Behinderung gemeinsam zu betreuen und zu fördern, unabhängig von dem jeweiligen Förderbedarf. „Die Kinder dürfen nicht einfach mitlaufen, sondern haben ein Recht auf heilpädagogische Förderung grundsätzlich in allen Regelangeboten“. Reers erinnerte beispielhaft an gehörlose Kinder, die sich in Gebärdensprache unterhalten. Sie machte deutlich, dass eine große Kraftanstrengung bevorstehe, der man sich aber auch gerne stelle. Neben den Umbauten und Personalqualifizierungen treibe allerdings die Pädagoginnen in den Kitas auch die Sorge um, wie die Kinder mit höherem Förderbedarf in einer großen Kindergruppe von 20-25 Kindern bestehen. Eine Mutter aus Lüdenscheid machte ihre Bedenken sehr deutlich: „Mein Kind ist schwerbehindert und ich habe fast ein Jahr mit der Krankenkasse dafür gekämpft, dass eine Pflegekraft meinen Sohn in der Kita begleiten kann, bis dahin hat die AWO-Kita dies allein gemeistert. Das wäre in anderen Kitas nicht möglich gewesen und als Alleinerziehende hätte ich nicht arbeiten können. Auch jetzt kämpfe ich wieder mit der Kasse um einen Spezialkinderwagen, den ich in der Kita lassen könnte. So wird der jeden Tag transportiert und 2027 fällt der Transport auch weg.“
Extra angereist aus Dortmund war Bernd Kochanek, Vertreter des Elternverbandes „Gemeinsam Leben, Gemeinsam Lernen NRW“. Er berichtete von den stockenden Verhandlungen mit dem Landschaftsverband, die er sehr bedaure, da die Fortschreitung der Inklusion ins Stocken gerät. Er geht von einer Reduzierung der Gruppengröße um ca. 2 Plätze aus. Bernd Kochanek machte deutlich: „Ich habe das Gefühl, dass Eltern nicht ausreichend informiert werden.“ Die Wortbeiträge will er in den Gesprächen mit dem LWL mitnehmen.
Nadine Rübel, Vertreterin des Bezirksverbandes der AWO erläutert, dass es in der zurzeit laufenden Verhandlung der Leistung der Eingliederungshilfe um eine Umstrukturierung der heilpädagogischen Plätze bis 2026 - mit Verlängerungsoption um 2 Jahre - und nicht um einen Wegfall der Plätze gehen soll. Sie erklärte, dass diese Leistung auf die Finanzierung des KiBiz aufgesattelt werden soll, ähnlich wie in der sogenannten Basisleistung I. Dies verwunderte Landtagsabgeordneten Frank Müller: „Bislang haben sich weder Familien- noch Sozialministerium zur diesbezüglichen Ausgestaltung geäußert, geschweige denn konkrete Vorschläge gemacht.“
Große Sorge machten sich die Eltern auch über die therapeutische Begleitung, die dann über die Krankenkasse finanziert wird. Ein Vater aus Werdohl berichtete, dass er seit 6 Monaten auf einen Platz in der Ergotherapie warte. Tina Reers erläuterte das Dilemma der Praxen: „Auch die Praxen spüren den Fachkraftmangel und es lohnt sich einfach nicht, für ein oder zwei Kinder in die Kitas rauszufahren, die dann auch die Räume haben müssen. Hier droht uns eine Bruchstelle!“ Landtagsabgeordneter Gordan Dudas (SPD) nahm dieses Thema auf: „Wir dürfen die Eltern nicht allein lassen. Dafür müssen wir uns einsetzen.“ Dies unterstützte Frank Müller ausdrücklich. „Bitte sprechen Sie uns an, damit wir helfen können.“, war sein Apell.
Monika Schwanz, Inklusionsbeauftragte der Stadt Lüdenscheid, brachte die Aussichten auf den Punkt: „Diesen Kampf um gute Betreuung behinderter Kinder führen wir doch nun schon seit Jahrenzente und es darf nicht zu einer Verschlechterung kommen.“ Nicole Neises-Weiler, Bereichsleitung der AWO schloss die Debatte ab: „In Zeiten des Kitaplatzmangels darf es uns nicht passieren, dass Eltern bei der Anmeldung den Förderbedarf verschweigen, aus Sorge, sie werden nicht genommen“.
Infobox:
Die AWO verfügt über 6 Kombinierte Kitas im Märkischen Kreis, in denen neben den allgemeinen Kitaplätzen auch heilpädagogische Plätze für Kinder mit Behinderung angeboten werden. Die Gruppen sind dort kleiner und es arbeiten dort neben Pädagoginnen und Pädagogen auch Therapeutinnen und Therapeuten. Die Diakonie betreibt in Iserlohn ebenfalls eine Kombinierte Kita.