„Vorhaller Wohnzimmer“ verbindet Kulturen

08.08.2019

Ein LKW-Fahrer, ein Bäcker und eine Sportlehrerin. Ein Borussen-Fan und ein Königsblauer. Zwei Deutsche und eine Afghanin. Zwei AGH-Kräfte und ein Mitarbeiter nach dem 16i-Programm. Drei Personen betreiben seit mehreren Monaten das „Vorhaller Wohnzimmer“ – einem Projekt der regionalen Arbeiterwohlfahrt (AWO), im Zusammenspiel mit dem Jobcenter. Aus unterschiedlichen persönlichen Gründen sind die 3 AWO-Mitarbeiter in den diversen Maßnahmen der Arbeitsvermittlung gelandet und nunmehr ein aufeinander abgestimmtes Team – für unbestimmte Zeit.

Das „Vorhaller Wohnzimmer“ befindet sich in der obersten Etage des Stadtteilhauses und ist als Ort der Begegnung konzipiert. Für kleines Geld erhält man einen Kaffee (oder anderes alkoholfreies Getränk) und wird von Mina Kamrani, Andre Kunze und Peter Siewert charmant und freundlich bedient. Wochentags ab 09:00 Uhr öffnen die drei die Türen des früheren Cafés und begrüßen die Gäste mit einem Lächeln. Es wird untereinander gescherzt und sich bei den Fragestellungen des Lebens unterstützt. Das „Vorhaller Wohnzimmer“ ist schon für einige Vorhaller Bürger ein Treffpunkt in den Vormittagsstunden geworden – ein achtköpfiges Frauentrüppchen kommt beispielsweise jeden Morgen ins Haus. Einmal in der Woche bieten die AWO-Mitarbeiter einen Mittgastisch an, der sich zunehmender Beliebtheit erfreut. Gutbürgerliche, deutsche Küche wechselt sich mit gewürzintensiver, frischer Küche aus Afghanistan ab – das Team und die Gäste profitieren auch kulinarisch voneinander.

Unterstützung finden Kamrani, Kunze und Siewert beim AWO-Ortsverein Vorhalle. Die Ortsvereinsvorsitzende Steffi Bastians fördert das „Vorhaller Wohnzimmer“ durch persönliche Besuche ebenso, wie durch die Ausstattung mit finanziellen Möglichkeiten für die Lebensmitteleinkäufe. Jeder mögliche Gewinn, der bei den Angebotspreisen nur minimal erzielt werden kann, fließt zurück in die Ortsvereinskasse – ein Gewinn für beide Seiten.

Im „Vorhaller Wohnzimmer“ treffen sich die Kulturen des Stadtteils wieder. Es ist ein friedliches Miteinander, wenn die deutschen AWO-Männer mit ihrer afghanischen Kollegin oder die sprachkursbesuchenden Flüchtlinge aus den Krisengebieten der Welt mit der türkischen Frauengruppe eine gemeinsame Kaffeepause einlegen. Es ist untereinander eine große Hilfsbereitschaft vorhanden, die in vielen Betrieben oftmals vermisst wird: als es der Kollegin kürzlich gesundheitlich nicht gut ging, sorgten die beiden Herren nicht nur für die notärztliche Hilfe, sondern auch für die Versorgung des kleinen Sohnes. Kamrani, Kunze und Siewert wohnen und arbeiten in Vorhalle. Vor der Tätigkeit bei der AWO kannte man sich noch nicht. Die gemeinsame Arbeitszeit hat für eine Annährung gesorgt und somit auch für einen allseits geschätzten Kulturaustausch. Wie mag es für eine junge Flüchtlingsfrau aus Afghanistan wirken, wenn sie zwei fußballbegeisterten Männern mit unterschiedlicher Derby-Ausprägung gegenüber steht?

Wenigstens bis zum Jahresende 2019 wird das „Vorhaller Wohnzimmer“, welches auch durch die überdachte Terrasse großen Anklang findet, in dieser Form weiterbestehen. Täglich werden die 3 weiterhin ihre Gäste bedienen und zeitgleich an ihrer eigenen beruflichen Zukunft arbeiten. Vielleicht gibt es für die erfolgreiche Sportlehrerin aus Afghanistan eine entsprechende Berufsmöglichkeit in der neuen Heimat – oder für den langjährigen LKW-Fahrer eine Rückkehr auf die Straßen der Republik. Der gelernte Bäcker bringt auf jeden Fall weiterhin seine Kenntnisse direkt im „Vorhaller Wohnzimmer“ ein. Jedem Einzelnen der AWO-Mitarbeiter wünscht man für den persönlichen Lebensweg alles erdenklich Gute – als Team gehören die 3 jedenfalls zu den freundlichen Gesichtern des Stadtteils.

Zum Foto „Team“ (v.l.n.r.): Peter Siewert, Mina Kamrani, Andre Kunze

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