Von einer Essstörung spricht man, wenn jemand sein Essverhalten übermäßig stark einschränkt, kontrolliert oder die Kontrolle über das Essverhalten verliert.
Es gibt verschiedene Ausprägungen einer Essstörung:
- Magersucht (Anorexia nervosa)
- Bulimie
- Binge-Eating-Störung
- Mischformen
Die Magersucht beginnt oft mit einer harmlosen Diät. Die Betroffenen versuchen ihr Essverhalten stark zu kontrollieren und nehmen immer weiter ab. Sie erleben sich selbst aber als zu dick und leben in ständiger Angst davor, dass sie zunehmen oder die Kontrolle über ihr Essverhalten zu verlieren. Bei der Magersucht ist das Körpergewicht so niedrig, dass es zu einer körperlichen Gefährdung bis hin zu lebensbedrohlichen Zuständen kommen kann.
Auch während einer Behandlung möchten die Betroffenen die Selbstkontrolle behalten. Besonders wenn sie sich unter Druck gesetzt fühlen kann es passieren, dass sie schwierige Themen meiden und problematisches Verhalten verheimlichen.
Auch Menschen mit einer Bulimie haben eigentlich Angst davor zuzunehmen. Die Betroffenen leiden an „Essanfällen“. Sie können die Nahrungsmenge dann nicht mehr steuern. Weil sie nicht zunehmen möchten, versuchen die Betroffenen die aufgenommene Nahrung wieder los zu werden. Sie tun das zum Beispiel durch selbst herbeigeführtes Erbrechen, Hungerphasen oder durch die Einnahme von Abführmitteln. Viele schränken ihre Nahrungsaufnahme außerhalb der Essanfälle deutlich ein, was das Auftreten von Heißhunger begünstigt und erneut ein Auslöser für Essanfälle sein kann.
Menschen mit einer „Binge-Eating-Störung“ haben ebenfalls immer wieder Essanfälle, bei denen sie nicht steuern können, was und wie viel sie essen. Im Unterschied zur Bulimie unternehmen sie jedoch keine regelmäßigen Maßnahmen um einer Gewichtszunahme zu vermeiden und sind daher häufig übergewichtig oder sogar fettleibig (adipös).
Eine Binge-Eating-Störung kann bereits bei Kindern, zumeist aber bei Jugendlichen auftreten. Ähnlich wie bei Erwachsenen gehen Essanfälle auch im Kindes- und Jugendalter mit vermehrten Sorgen um das Gewicht, Depressionen und Ängsten einher. Einschränkungen der Lebensqualität können auch daraus entstehen, dass die Essanfälle eine Gewichtszunahme nach sich ziehen können. Während die Magersucht und die Bulimie vorwiegend bei Mädchen und jungen Frauen auftreten, sind bei der Binge-Eating-Störung ab dem Jugendalter beide Geschlechter in fast gleicher Ausprägung betroffen.
Mischformen (sogenannte „nicht näher bezeichnete Essstörungen") sind Vermischungen von Magersucht, Bulimie und Binge-Eating-Störung sowie Essstörungen, bei denen nicht alle typischen Merkmale vorliegen.
Häufig geht eine Diät einer Essstörung voraus. Verschiedene Ursachen führen zur Entstehung einer Essstörung.
- persönliche Faktoren, wie zum Beispiel ein niedriges Selbstwertgefühl, erhöhte Ängstlichkeit, der Wunsch alles perfekt machen zu wollen und damit verbundener Überforderung, eine erhöhte Zwanghaftigkeit, Schwierigkeiten bei der Ablösung vom Elternhaus aber auch stark belastende Ereignisse im Leben (z.B. Trennungssituationen, Gewalterfahrungen oder der Tod eines nahe stehenden Menschen).
- gesellschaftliche Einflüsse, wie beispielsweise das schlankheitsbetonte Schönheitsideal.
- biologische und körperliche Einflüsse, wie erbliche Faktoren, die Entwicklung von Essanfällen nach strenger Diät und ein vor der Erkrankung bestehendes Übergewicht.
Die verschiedenen Ursachen zur Entstehung einer Essstörung können sich gegenseitig beeinflussen und verstärken. In der Regel sind immer mehrere von ihnen an der Entstehung einer Essstörung beteiligt.
Mit einer Essstörung können häufig weitere psychische Erkrankungen einhergehen wie:
- Depressionen
- Angststörungen
- Zwangserkrankungen
- Persönlichkeitsstörungen
- Posttraumatische Belastungsstörungen
- Substanzmissbrauch
Andere psychische Erkrankungen können Auslöser einer Essstörung sein. Sie können aber auch als Folge einer Essstörung auftreten. Es ist außerdem möglich, dass mehrere psychische Erkrankungen unabhängig voneinander vorkommen. Das muss bei der Behandlung berücksichtigt werden.
Essstörungen können zu körperlichen und seelischen Folgeerkrankungen führen.
Bei unzureichender Kalorienzufuhr bestehen viele körperliche Risiken, wie beispielsweise das Ausbleiben der Regelblutung, die Verminderung der Knochendichte, Haarausfall, zu niedriger Blutdruck oder einer erniedrigten Körpertemperatur. Auch psychische Folgen treten auf, wie Stimmungsverschlechterung bis hin zu einer Depression, ein sozialer Rückzug, ein erhöhter Bewegungsdrang, ein vermindertes Interesse an Sex und Einschränkungen der kognitiven Leistungsfähigkeit.
Das nach Heißhunger- und Essanfällen selbst herbeigeführtes Erbrechen führt zu Zahnschäden, Störungen des Elektrolyt- und Wasserhaushalts des Körpers und zur Störung der Nierenfunktion.
Der Missbrauch von Abführmitteln und Entwässerungsmitteln kann zu einem Wechsel von Durchfall und Verstopfung führen. Auch hier kommt es zu Störungen des Elektrolyt- und Wasserhaushalts des Körpers und zur Störung der Nierenfunktion.
Übermäßiger Sport birgt die erhöhte Gefahr von Knochenbrüchen und Verletzungen und der übermäßige Belastung von Sehnen und Gelenken.
Essanfälle, wie sie bei der Binge-Eating-Störung vorkommen, können zu Übergewicht führen. Die möglichen Folgen von Übergewicht sind ein erhöhtes Risiko für Herz- / Kreislauferkrankungen, Müdigkeit, Schmerzen aufgrund einer Überbeanspruchung von Gelenken und Muskeln, Einschränkung der Beweglichkeit, Diabetes und Bluthochdruck aber auch soziale Isolation bis hin zu Depressionen.
Essstörungen entwickeln sich über eine längere Zeit. So können Kinder- und Jugendärzte bei Vorsorgeuntersuchungen schon erste Hinweise auf eine Essstörung bemerken. Anzeichen, die man selbst bemerkt, können eine Unzufriedenheit mit dem Essverhalten oder mit dem eigenen Körper sein, die ständige Sorge um das Gewicht und das Essen, heimliches Essen, selbst herbeigeführtes Erbrechen oder auch Essanfälle sein. Anderen fällt oft ein sozialer Rückzug auf.
Selbsttests stellen Fragen mit denen man sich einen Überblick verschaffen kann, ob eine Gefährdung vorliegen könnte. Diese Tests erlauben jedoch keine Diagnose. Sie können das Gespräch mit dem Arzt oder Psychotherapeuten unterstützen, aber niemals ersetzen. Für einen solchen Selbsttest kann man zum Beispiel die folgenden Fragen beantworten:
Nimmt mein Essverhalten sehr viel Raum in meinem Leben ein?
Ist mein Selbstwertgefühl sehr von meiner Figur oder von meinem Gewicht abhängig?
Esse ich heimlich und vermeide ich das Essen mit anderen?
Überesse ich mich und habe dabei das Gefühl, die Kontrolle über mein Essverhalten zu verlieren?
Übergebe ich mich nach übermäßigem Essen?
Mache ich mir Sorgen, weil ich manchmal mit dem Essen nicht aufhören kann?
Zusammenstellungen von Fragen zu Selbsttests zu Magersucht und Bulimie finden Sie im Internet unter:
www.psychenet.de/psychische-gesundheit/selbsttests/essstoerungen.html
Anlaufstellen bei einer Essstörung sind der Hausarzt, der Kinder- und Jugendarzt, eine spezialisierte Beratungsstelle, ein Psychotherapeut oder eine Spezialambulanz für Essstörungen.
Wer bei sich selbst eine Essstörung vermutet, hat oft Probleme darüber zu sprechen. Betroffene haben oft das Gefühl, dass die Menschen in ihrem Umfeld kein Verständnis für ihre Essstörung haben. Wenn junge Menschen z. B. das Gefühl haben, dass sie dadurch ihre Eltern enttäuschen, versuchen sie ihre Essstörung zu verbergen.
Es dauert dann manchmal sehr lange, bis sie professionelle Hilfe erhalten.
Jemanden zu finden, der die eigene Situation versteht, ist für viele Betroffene erst einmal das Wichtigste.
Eine Essstörung ist eine ernsthafte Erkrankung.
Sie kann und muss behandelt werden.
Je frühzeitiger die Behandlung einer Essstörung beginnt, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Behandlung.